Die anatomisch/medizinischen Hintergründe dieser Tatsache sind bekannt (oder lassen sich im Zweifelsfall sehr leicht nachlesen), mir geht es heute um ihre praktische Bedeutung im Alltag der Pferdehaltung.
Wir sind uns also einig, im Idealfall hat das Pferd ganz einfach dauerhaften Zugang zu Heu und/oder Gras, sodass es sich artgemäß über den ganzen Tag und die ganze Nacht verteilt ernähren kann.
In der Praxis hieße das, wir würden Heu ad libidum füttern -
„all you can eat“ fürs Pferd, nach dem Motto: Großballen Heu in Rundraufe und
guten Appetit. Mit dieser Lösung müssen wir uns keinerlei Sorgen mehr um
Fresspausen, Fütterungsintervalle und Magengeschwüre mehr machen. Insofern ist
das wirklich die arbeitssparendste Variante der Pferdefütterung.
Natürlich hat die Sache einen Haken: Wenn sich das Pferd
relativ wenig bewegt, ein „guter Futterverwerter“ ist und wir ihm energiereiches
Heu (gilt ebenso für Gras) vorsetzen, drohen binnen kürzester Zeit lebensbedrohliche
Stoffwechselkrankheiten und massive Verfettung. Die „ad libidum“ Fütterung kommt also nur in Frage für
Pferde, die täglich gearbeitet werden und/oder von sich aus kleinere
Fresspausen einlegen und sich selbst viel Bewegen (Stichwort Bewegungstall).
Nur wenn sich der Energiebedarf und die Menge der aufgenommen Nahrung die Waage
halten, ist diese Fütterung gesund!
Bei den meisten (Freizeit)-Pferden, die ich kenne, handelt
es sich aber um Rassen, die an ein karges Nahrungsangebot angepasst sind und
von Natur aus für jedes „maulvoll“ Futter kilometerweit wandern müssen. Hier bleibt uns also nichts anderes übrig, als die Heumenge (oder die Weidezeit) zu rationieren.
Dummerweise bleiben auch die „leichtfuttrigen“ Pferde
anatomisch immer noch Pferde, das heißt sie benötigen zwar weniger Futter, aber
auch dieses über den ganzen Tag verteilt. Das Heu muss also durch den Menschen
portioniert werden. Im Idealfall entstehen Fresspausen von maximal vier Stunden
- dazu müsste man seinem Pferdchen also in 24 Stunden 6 mal eine kleine
Portion Heu reichen. In der Praxis ist das ohne maschinelle Hilfe (Stichwort:
Fütterungscomputer im Aktivstall) nicht zu leisten.
Um schmerzhafte Magengeschwüre und eine dauerhafte
Schädigung des Verdauungstraktes zu vermeiden, dürfen die Fütterungsintervalle
allerhöchstens acht Stunden betragen! Darauf müssen die Fütterungsintervalle in
der Praxis eingerichtet werden - auch wenn persönlich und von Hand gefüttert wird.Es sind demnach mindestens 3 Fütterungen pro Tag notwendig. Der Punkt ist die Verteilung! Und dazu muss gerechnet werden, es beißt die Maus keinen Faden ab:
Unser Beispielpferd soll 9 Kilo Heu bekommen (das entspricht einem 600 kg schweren Pferd). Das könnte man dann also beispielsweise so verteilen, dass man um 7 Uhr, um 15 Uhr und um 23 Uhr jeweils drei Kilo füttert.
Leider ist es auch heute in vielen Ställen üblich, dass
morgens um 7 Uhr oder 8 Uhr gefüttert wird, dann eventuell mittags um 12 Uhr
nochmal und abends das letzte Mal um 17 Uhr. Das passt zu den menschlichen
Arbeitszeiten - nicht aber zu den Bedürfnissen des Pferdes! Eine derartig lange
Pause von 14 oder gar 15 Stunden pro Nacht führt definitiv zu schmerzhafter Schädigung
des Verdauungstrakts.
Was ist zu tun?
Wo es nicht möglich ist, wie in obigem Beispiel wirklich
regelmäßig spätestens alle 8 Stunden die nächste Heuportion zu reichen, muss
man sich zu helfen wissen: Zum einen müssen wir zusehen, dass wir die Fresszeit des
Pferdes verlängern, also dass es möglichst lange für die Aufnahme seiner
Portion braucht. Das gewährleisten beispielsweise engmaschige Heunetze.
Außerdem frisst das Pferd von Natur aus nachts am meisten. Es liegt daher nahe,
abends die größte Portion zu füttern. Wer ohne maschinelle Hilfe füttern muss,
aber dennoch nachts gerne durchschlafen möchte, könnte also die Heumenge
unseres Beispielpferdes folgendermaßen aufteilen: 7 Uhr - 1 Kilo Heu, 12 Uhr - 1
Kilo Heu, 17 Uhr - 2 Kilo Heu, 22 Uhr - 5 Kilo Heu.
Die allermeisten Stallbetreiber, die ich kenne, machen vor
dem Zubettgehen doch sowieso noch einmal eine Kontrollrunde durch den Stall.
Wieso nicht um diese Zeit dann das vorbereitete Heunetz mit der Nachtportion in
die Boxen, Paddocks oder Offenställe hängen?
Bei mir im Stall werden alle benötigten Heunetze einmal am Tag befüllt
und müssen dann nur noch zu den passenden Zeiten in die Boxen bzw. Ausläufe
gehängt werden. Auf den ersten Blick mag das kompliziert erscheinen, wie wir
nach Liste und mit einer Waage verschiedenfarbige Heunetze füllen. Ich habe
schon mehr als einmal gehört, dass speziell das Abwiegen des Heus als „verrückt“
betrachtet wird, nach dem Motto: Ich sei ja eine überempfindliche
Pferdehalterin, gab’s doch früher auch alles nicht.
Dem kann ich entgegnen: Früher gab‘s dafür aber den
Futtermeister! Solche schlauen Sprüche wie „das Auge des Herrn füttert das Vieh“
gelten nur dann, wenn zuverlässig immer dieselbe kompetente Person die Pferde
füttert und dabei tagesaktuell deren Ernährungszustand überwacht! Würde ich
alle Fütterungen persönlich durchführen, bräuchte ich auch nicht zu wiegen,
sondern könnte „Pi mal Daumen“ mal einem Pferd ein Scheibchen Heu mehr oder weniger
geben.
Bei uns füttern allerdings derzeit (aufgrund meiner
Schwangerschaft und weil ich nicht vor Ort wohne) 5 unterschiedliche Personen. Allein
dank des Systems mit den abgewogenen Heunetzen kann ich mir trotzdem sicher sein,
dass jedes Pferd jeden Tag die richtige Heumenge erhält!
Das Abwiegen des Heus hat einen weiteren Vorteil: Viele
Krankheiten gehen mit Abmagerung einher (andere wiederum mit untypischer
Verfettung). Wenn ich also sicher weiß, mein Pferd A bekommt zuverlässig 9 Kilo
Heu pro Tag, die Heuqualität hat sich zwischenzeitlich nicht geändert und es
magert dennoch ab - dann stimmt was nicht! Auf diese Weise kann ich zeitnah den
Tierarzt rufen und präzise Angaben machen.
Für das Wohl meiner Pferde nehme ich daher gerne den Aufwand
auf mich und hantiere mit Waagen und Heunetzen.
Sicherlich gibt es deutlich effizientere Lösungen, wie das
bereits angesprochene Bewegungstall-Konzept. Diese sind leider nicht für jedes
Pferd und jeden Halter auf die Schnelle zu verwirklichen. Ich hoffe, dass
dieser Artikel eine Anregung für jeden Pferdebesitzer gibt, dennoch die
Fütterung seines Pferdes entsprechend der individuellen Gegebenheiten zu
optimieren.
Aufgrund einer hilfreichen Diskussion auf facebook mit sehr gut informierten Pferdehaltern möchte ich meinem Artikel Folgendes hinzufügen:
AntwortenLöschenWenn die Fütterungsintervalle bei acht Stunden liegen (was ich im Artikel als allerhöchte Grenze angegeben habe), ist das nicht optimal!Fresszeitverlängerungsmaßnahmen helfen folgendermaßen (Beispiel!): 3 Kilo Heu werden aus zwei ineinander gesteckten Heunetzen (Maschenweite 4 cm) von meinen Pferden in 3 bis 4 Stunden gefressen - würden sie alle 8 Stunden so gefüttert, käme das auf tatsächliche Fresspausen von knapp 5 Stunden.
BESSER wären selbstverständlich die Verteilung auf mehr Mahlzeiten, sodass die tatsächlichen Fresspausen wirklich unter 4 Stunden blieben.
Meine Intention bei diesem Artikel ist es trotz aller Rechnerei aber nicht, mich an Uhrzeiten "aufzuhängen", sondern Anregung zu geben, wie individuell für jedes Pferd eine VERBESSERUNG erreicht werden kann, auch wenn diese (noch) nicht dem OPTIMUM von wirklich dauerhafter Nahrungsaufnahme entspricht.
Wie man die Fütterungspraxis für sein Pferd unter den individuellen Haltungsgegebenheiten verbessern kann, ist sehr stark abhängig von den Strukturen (Pensionstall oder Eigenregie? Bauliche Möglichkeiten für Bewegungsanreize/Futterautomaten? Offenstall, Gruppenzusammensetzung?)
Die genannten Zahlen sind BEISPIELE, die den Leser nicht davon befreien sollen, sich selbst mit dem Thema Verdauung und Fütterungspraxis auseinanderzusetzen (wofür es wie gesagt zahlreiche Quellen gibt!), sondern im Gegenteil: Sie sollen Anregungen geben, sich weiter zu informieren, um die beste Lösung für das eigene Pferd zu finden.