Freitag, 28. Dezember 2012

Entstehungsgeschichte des Buches „Basisguide für feine Hilfen“: Mein persönlicher Rückblick

2010/2011 - Unmögliche Idee

Auf die Idee ein Buch über Hilfengebung beim Reiten zu schreiben bin ich durch einen Freund gekommen: der ist erwachsener Reiteinsteiger. Intelligent, sportlich, belesen und ambitioniert, die klassische Dressur von Grund auf zu erlernen. Was zunächst nach einem Traum von einem Reitschüler klingt, stellte sich in der Praxis als reichlich nervig heraus. Denn jedesmal, wenn wir ein Detail der Hilfengebung klären konnten, also eine Übung gut gelang und ich dachte, er müsste doch jetzt zufrieden vom Pferd steigen, kam der vorwurfsvolle Spruch: „Ach, sooo geht das. Sag das doch gleich so!“. Gerne gefolgt von „Ja, aber wieso steht das mit den Hilfen so genau denn nirgends? Sagt einem ja keiner!“ oder auch das berühmte „Jaaaaaaa, aber wieso geht das denn bei dem anderen Pferd, was ich noch reite, nicht so?“.
Ich solle das doch bitte mal alles aufschreiben. Wäre dann ja auch wesentlich effizienter, die Hilfen VOR der Reitstunde alle schon zu wissen. Am besten natürlich für alle Übungen, die wir gerade so besprechen und die er gerne lernen würde. Auch passend für jedes Pferd. Und so ganz detailliert. Was genau man denn dann wie mit welchem Körperteil macht und so weiter. Und warum am besten noch.  Mal alles ganz systematisch!

Versierte Reiter schmunzeln nun wahrscheinlich schon längst: Denn so einfach zu erklären ist das „alles“ natürlich nicht. Die Hilfengebung ist zwar - wenn man’s kann - absolut logisch. Also auf konkrete Fragen zu antworten und den Einzelfall (also einer praktischen Reitstunde, wo man Pferd und Reiter vor sich sieht) zu erklären ist natürlich machbar, aber die Hilfengebung in ihrer GESAMTHEIT in einem BUCH zu erläutern?!? - Unmöglich!
Nun ja, grundsätzlich wollte ich das natürlich schon gerne können. Will ich auch immer noch. Ein ehrgeiziges Projekt.

Wir begannen damit, mal wenigstens die einzelnen Hilfen zu definieren. Da gibt’s ja diese Liste, die jeder Reitabzeichenanwärter auswendig zu lernen hat. Zunächst wollte ich wenigstens diese Begriffe erklären: wie genau diese einzelnen Hilfen technisch denn funktionieren. Also, was IST denn nun beispielsweise eine seitwärtsweisende Zügelhilfe? Wie GEHT das, was macht man da, wie genau dreht man da den Arm und wieso? Und wann genau? Und wofür? Und schon waren wir bei der Kombination der verschiedenen Hilfen… Die führt ja dann zu den ganzen Lektionen.
Natürlich steht in der Reitlehre, wie beispielsweise ein Schulterherein auszusehen hat, wofür man das reitet und wie - theoretisch - die Hilfen dafür sind. Gibt’s ja alles schon!

Die Reitlehre beschreibt aber eben den Optimalfall. Wenn man eh schon weiß, wie die Hilfen technisch gehen und auf einem ausgebildeten Pferd sitzt, dann kommt einem das auch alles logisch vor. Als Dressur-Einsteiger, am Ende noch mit einem nicht ganz so optimal ausgebildeten Pferd, stößt man da aber bald an seine Grenzen: Was denn nun, wenn der Optimalfall nicht eintritt? Braucht es dann zusätzliche Hilfen? Oder stärkere? Oder am Ende sogar weniger? Und wieso „kann“ ich diese Lektion mit dem einen Pferd und mit dem anderen nicht?
Auch diese Infos, für den „Nicht-Optimal-Fall“, sind natürlich in der Reitliteratur bereits zu finden. Es gibt so viele gute Bücher, die es zu lesen wert sind (Literaturtipps siehe meine Webseite). Aber die gesamte Hilfengebung mit System und im Detail erklärt gibt es meines Wissens nicht.

Als ich also versuchte, dieses Buch zu schreiben, wurde mir auch schnell klar, warum es das nicht schon gibt: Es wäre nämlich ein mehrbändiges Werk im Umfang eines Brockhaus! Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Hilfen sind schier unendlich. Die Sonderfälle häufen sich, jedes Pferd ist ja verschieden. Um beim Beispiel Schulterherein zu bleiben: Was soll ich machen, wenn das Pferd nach vorne drängelt? (Kann daran liegen, dass ich im Vorfeld schon was falsch oder zuviel gemacht habe, ich also etwas „lassen“ sollte -kann aber auch sein, das aktuell etwas „fehlt“). Wenn es auf eine Schulter kippt? Klar, die natürliche Schiefe… aber welche Hilfen ich da jetzt akut verändern oder verstärken sollte, hängt ja wieder ganz individuell vom Pferd ab: Ob wir auf der hohlen oder der Zwangsseite arbeiten. Vom Exterieur. Und was soll ich machen, wenn sich das Pferd verhält? Kann ja sein, das Pferd versteht mich nicht (was könnte ich denn da alles falsch machen?), kann aber auch sein, es „will“ nicht (warum nicht?!) oder besser: Es kann einfach gerade nicht! Und was, wenn sich das Pferd auf die Hand stützt? Wenn es sich nicht genug abstellt, wenn es sich zu viel abstellt. Wenn ich in der Hüfte einknicke. Woher merkt man überhaupt, dass man einknickt? Und wie fühlt es sich an, wenn es richtig ist?
Ich war dann länger krank und hatte dadurch theoretisch viel Zeit zum Schreiben - aber eben auch viel Zeit, darüber nachzudenken, dass ich mein System, erst alle Hilfen zu erläutern und dann alle Lektionen, nicht durchhalten konnte. Ich gab auf (sehr zum Leidwesen oben erwähnten Freundes/Reitschülers) und das Projekt lag auf Eis.


 Ende 2011 - Anfrage von Cadmos
Und dann kam Cadmos auf mich zu. Wie genau die Leute vom Verlag nun auf mich kamen,  weiß ich gar nicht mehr - es war eine Titelgeschichte über mein Jungpferdeausbildungskonzept in der Cavallo und daraufhin erreichte mich eine Anfrage. Ob ich ein Buch schreiben wolle.

Wollte ich, natürlich. Schon als kleines Kind wollte ich unbedingt Reitlehrerin werden. Oder Schriftstellerin. Damals dachte ich an Gedichte und Geschichten, aber heute liegt es natürlich nahe, über’s Reiten zu schreiben.

 Anfang 2012 - konkreter Plan mit Cadmos
Im Frühjahr 2012 ging dann die konkrete Planung los. Ich lernte (virtuell bzw. am Telefon) meine Lektorin Maren Müller kennen. Sie erstellte mit mir das Konzept für’s Buch, und das war vermutlich ein verdammt harter Job:
Aus meiner unmöglichen Idee musste ja ein machbares Buch werden. Zur Verfügung hatten wir 128 Seiten, 190 tausend Zeichen. Und das Ganze sollte dann bitte auch noch lesbar sein von meiner „Zielgruppe“ der ambitionierten Freizeitreiter. Mein erster Konzeptentwurf klang leider eher nach Doktorarbeit denn nach Praxisratgeber (damals war ich ja noch fleißige Studentin und voll im Pädagogen/Psychologen-Jargon zuhause). Dank Maren wurde aber alles besser. Ich war zunächst nicht leicht zu überzeugen, das Konzept derart „herunterzubrechen“, dass das dann alles in ein Buch passt. Rückblickend bin ich natürlich sehr froh um ihre klaren Worte und professionelle Unterstützung, denn wie sich beim Schreiben herausstellte, ist auch das „verkürzte“ Konzept inhaltlich noch extrem dicht und dem Leser wird so oder so der Kopf rauchen J.

Mein Ziel für dieses Buch war und ist es nun, die Grundsätze der Hilfengebung zu erklären (und nicht mehr ihre Gesamtheit). Es geht darum, eine Basis zu legen: Der Reiter soll zunächst prinzipiell verstehen, wie ein Pferd lernt und reagiert und warum man Hilfen wie zusammensetzt, damit feines Reiten möglich wird. Außerdem soll im Praxisteil eine Basis gelegt werden, mit welchen Übungen in der Grundausbildung die Voraussetzungen geschaffen werden können, um darauf dann später auch die hohen Lektionen aufzubauen. Im dritten Teil geht es darum, in Selbstkontrolle die eigene Grundlagenarbeit zu überprüfen.

 Frühjahr 2012 - Schreiben
Nachdem das Konzept stand, ging das Schreiben wie von selbst. Ich arbeite ja trotz meiner jugendlichen anmutenden Erscheinung J schon viele Jahre als Reitlehrerin und der Inhalt des Buches deckt sich genau mit dem, was ich täglich auf dem Reitplatz erläutere.

In gewohnt effizienter Manier schrieb ich das Manuskript also quasi in einem Rutsch und hielt mich problemlos an meinen gutausgeklügelten Zeitplan. Da ich nebenbei natürlich normal gearbeitet habe, blieben zum Schreiben nur die „Nicht-Unterrichtszeiten“, die aber dank meiner zuverlässigen Stallhelfer Nele, Rieke und Cathérine gut zu planen waren.
Im Frühsommer musste ich meine praktische Tätigkeit mit jungen Berittpferden zusätzlich einschränken, da ich schwanger wurde. Theoretisch blieb also dadurch umso mehr Zeit für’s Schreiben - rückblickend verbrachte ich diese Zeit allerdings hauptsächlich mit schwangerschaftshormoninduziertem SchlafenJ.


 Sommer 2012 - Fotos
Soweit war alles ein Kinderspiel. Bis es dann ans Fotografieren ging. Ich war mittlerweile im fünften/sechsten Monat schwanger. In meiner Erinnerung waren die Fotoshootings immer an unglaublich heißen Tagen, mein Kreislauf war im Eimer und meine Pferde waren aufgrund meiner bereits nachlassenden praktischen Reiterei schon etwas aus dem Training. Meine persönlich größte Sorge war, dass man meinen Bauch auf den Bildern sieht. Philipp, der Fotograf, ärgerte sich herum mit Sonnenstand und Schatten auf uns beziehungsweise unseren Gesichtern. Die Lektorin beziehungsweise der Verlag meldeten Bedenken, weil auf dem zugegebenermaßen suboptimalen Reitplatz überall Gras (!!) durch den Sand wuchs. Meine Laune war nicht die Beste, aber wie die Leser des Buches feststellen können, ist es  dank des Großmuts meiner Pferde und der geduldigen und fleißigen Helfer Erich, Nele und Rieke dann doch gelungen, genügend nutzbare Fotos zu produzieren.

Dabei ging es darum, wirklich echte Aufnahmen aus der Praxis zu machen. Wie Sie sehen werden, haben wir wirklich junge Pferde abgelichtet, die sich tatsächlich noch in der Basisausbildung befinden. Lediglich Dobllino, mein braunes Pony, ist bereits annähernd „fertig“ ausgebildet. Die übrigens Pferde sind zum Zeitpunkt der Aufnahmen im ersten oder zweiten Jahr der Grundausbildung.
Für die Bilder der Einwikungsfehler mussten wir demnach auch nichts „stellen“ (was mich immer amüsiert, wenn das unter Fotos steht), denn Fehler passieren nunmal. Ich habe keine Probleme damit, nicht auf jedem Bild perfekt zu reiten, denn es geht in einem Praxisratgeber ja genau darum, diese wenn sie schon nicht im Vorfeld zu vermeiden waren, dann in der Folge ehrlich und langfristig zu korrigieren.
Besagter Reitschüler und Freund, dem ich die ganze Idee überhaupt verdankte, wurde engagiert, um die Abbildungen für das Buch zu erstellen. Unglücklicherweise sind wir aber beide tagsüber mit Arbeiten beschäftigt und sahen uns in diesem Sommer auch nicht besonders häufig, sodass die Verständigung über die Grafiken, Änderungen und Erläuterungen des Nachts am Telefon stattfinden mussten. Nun bin ich leider ein „grafisch“ absolut unbegabter Mensch. Stellen Sie sich vor, wie es ist, für mich zu arbeiten: Ich war mit diversen Details unzufrieden, konnte aber auch nicht genau erklären, wie er’s denn anders darstellen sollte… Ich kann allerdings versichern: Er hat’s geschafft J!
Ende Juli war mein Abgabetermin.


Herbst/Winter 2012 - Lektorat und freudige Überraschung…

Das Lektorat lief aus meiner Sicht dann wieder gänzlich unspektakulär ab. Ich war mittlerweile nach Erfurt umgezogen, hoch schwanger und reitunfähig. Deswegen hatte ich ja Zeit und Muße, die emails mit Anmerkungen meiner Lektorin Maren Müller immer zügig zu beantworten, sodass wir prima durchkamen. Viele Änderungen am Text gab es eh nicht, diskutiert wurde höchstens über nicht optimale Fotos und meine Zitierwut.
Eine freudige Überraschung stellte die Anfrage dar, ob ich nicht gleich ein zweites Buch mit Cadmos machen wolle. Ich bin immer noch geplättet und dankbar dafür, dass der Verlag mir direkt den nächsten Vertrag gegeben hat, noch bevor ein einziges Exemplar des „Basisguides“ über den Ladentisch gegangen ist! Es ist toll, wenn man das machen kann, was man liebt und wird noch besser, wenn es bei Anderen „ankommt“ und gefällt.

So startete ich neben den letzten kleinen Korrekturen am ersten Buch direkt mit der Konzeption und dem Schreiben des Zweiten. Wie gesagt konnte ich aufgrund der Schwangerschaft nicht mehr reiten und gerade als Selbständige trifft es sich natürlich gut, in dieser ansonsten „brotlosen“ Zeit eine Aufgabe zu haben.

Weihnachten 2012 - das Layout ist da!
Überraschung: Zu Weihnachten gab‘s das fertige Layout (zur Endabnahme) und den Cadmos-Katalog mit den Neuerscheinungen für’s nächste Jahr.

Ich war sehr glücklich, mein Buch in den Händen zu halten. Das Titelfoto (mit dem wir schwer gekämpft hatten, weil wir Laien uns alle nicht recht vorstellen konnten, wie das wirken soll) gefällt mir sehr. Ganz offensichtlich wussten die Leute von Cadmos genau, was sie da machten.
Im Katalog ist mein Buch sozusagen auf Seite zwei, direkt nach dem Buch über die Klassische Dressur von Anja Beran, was mich besonders freut! Ich finde, dieser Platz passt uns ganz hervorragend.

Nun habe ich also mein Buch noch einmal in Gänze mit allen Fotos und Abbildungen gelesen und bin sehr stolz darauf. Ich glaube, dass es genau den „Nerv“ trifft, den es treffen soll: Nämlich ein Praxisratgeber zu sein für den Weg zur klassischen Reitkunst. Ich hoffe, dass es den Lesern Freunde bereiten wird beim Lesen und den Pferden, wenn ihre Menschen nachher ein Stückchen besser reiten - im Sinne von feinerer, logischer Einwirkung und Hilfen, die dem Pferd wirklich HELFEN.
 
Jahreswechsel 2012/2013

Das Buch geht nun in den Druck und ich in die Babypause. Für das nächste Jahr wünsche ich mir neben meinen privaten Familienfreuden, dass das Buch bei Ihnen positiv ankommt und sich mein Leben als Reitlehrerin und nun auch freiberufliche Buchautorin sich wie gehabt weiterentwickeln wird.
Sie können das Buch gerne schon vorbestellen (beispielsweise bei Amazon). Es wird im März 2013 erscheinen.

GUTEN RUTSCH IN EIN FROHES NEUES JAHR!

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