Montag, 17. Oktober 2011

Nachgeben

„In der Reitkunst ist jeder Vorwand recht, um nachzugeben.“
(Nuno Oliveira, Notizen zum Unterricht, Olms Presse, 1998)

Für das Pferd ist verständlicherweise der Reiter immer dann am besten zu  (er)tragen, wenn er passiv im Gleichgewicht sitzt und seinen Körper im Einklang mit dem Rhythmus der Pferdebewegung mitschwingen lässt, ohne diesen durch Steifheit, unrhythmische Bewegungen oder kräftige Einwirkung zu stören.
Deswegen, so Nuno Oliveira, sei einem jeder Vorwand recht, um nachzugeben. Nachgeben im Sinne von „passiv werden“, mit-sitzen, das Pferd sich entfalten lassen.

Ich kann ihn mir bildlich vorstellen, wie er das aufgeschrieben oder gesagt haben soll, mit einem Augenzwinkern, aber doch wohlwissend, dass dieser Satz eine Kernthese des feinen Reitens ist.
Suchen Sie Gründe, um nachzugeben! Nutzen Sie jeden noch zu kleinen Schritt in die gewünschte Richtung, um an den Hilfen leicht zu werden. Entspannen sie die Waden, wann immer das Pferd fleißig geht und verleihen ihm damit zusätzlichen Schwung. Entspannen sie die Unterarme und die kleinen Finger (kleiner Finger und Ringfinger), wann immer das Pferd im Unterkiefer nachgibt und verleihen Sie ihm damit zusätzliche Lust, nach vorne hin ans Gebiss zu gehen.

Durch das Nachgeben auf die beschriebene Weise (und eben nicht im Sinne von Zügelwegwerfen, Beine wegstrecken und jeglichen Kontakt aufgeben!) machen wir uns dem Pferd angenehm, machen ihm seine Aufgabe möglichst leicht. Durch das Nachgeben, das sanft werden der Hilfen während einer erfolgreichen Sequenz bekommt das Pferd Freude an der Bewegung.
Innerhalb jeder Übungseinheit muss es unzählige Gründe zum Nachgeben geben. Man muss sie nur suchen. Wenn wir beim reiten fühlen, was gerade in diesem Moment gut läuft, anstatt uns darauf zu konzentrieren, was alles noch fehlt oder was wir alles gerade nicht können, dann finden wir auch die Gründe, um nachzugeben.
Oliveira geht sogar noch weiter – wir sollen nicht nur Gründe finden, wie ich es formuliert habe, sondern Vorwände! Probieren Sie es doch einfach mal aus: Geben Sie doch mal an einer „ungewohnten“ Stelle einer Sequenz nach, auch wenn es „gerade nur so durchschnittlich läuft“ und es daher laut unserem Leistungsanspruch im Augenblick keinen Grund gibt, womit wir uns und dem Pferd das nachgeben „verdient“ haben – und sehen, was passiert. Es wird die Motivation des Pferdes erhöhen, den Wünschen des Reiters entsprechen zu wollen, es wird das Pferd beflügeln, sich für uns anzustrengen.

Der Klügere gibt nach. Je klüger, umso häufiger!

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