Donnerstag, 27. April 2017

Pferdetraining zwischen Ergebnis- oder Methodenorientierung

Ich beobachte im Pferdetraining (und soweit ich das überblicke auch im Hundetraining) heute vermehrt extreme Einstellungen.

Da haben wir die einen, die sich ausschließlich am Ergebnis des Trainings orientieren. Hauptsache, das Pferd funktioniert, egal unter welchen Umständen es trainiert wurde. Je schneller das erwünschte Ergebnis erreicht ist, desto besser. Und je widriger die Umstände, unter denen das Pferd trotzdem noch brav funktioniert, desto beeindruckender. Der Zweck heiligt jedes Mittel, und auf jede Kritik an der Arbeitsweise wird ausschließlich auf das erfolgreiche Ergebnis verwiesen: Wie brav das Pferd binnen weniger Einheiten vollkommen „liberty“ ein komplettes Programm abspult, sich in eine Plane einwickeln lässt oder wie das Pferdekind durch die Dressurpferdeprüfung strampelt und am Ende die goldene Schleife holt. Der Erfolg gibt einem schließlich Recht, und wer die Trainingsweise kritisch sieht, hört als erstes das Totschlagargument, dass man nicht mitreden kann, wenn man noch kein goldenes Reitabzeichen in der Tasche oder noch keinen echten Mustang gezähmt hat.
Ein „guter“ Trainer macht ein Wildpferd in 90 Tagen zum totbraven Freizeitkumpel für die möchtegern Wendy von nebenan, ein „guter“ Reiter reitet jedes Jahr Bundeschampionat mit Drei- und Vierjährigen. Selbst im Freizeitbereich heiligt der Zweck offenbar jedes Mittel: Da werden Kurse zum Selberanreiten in vier Tagen verkauft, nach denen das vorher nur halfterführige Pferd garantiert alle Grundgangarten unterm Sattel gehen soll oder Problempferde werden in nur einem Monat Beritt „korrigiert“. Hinter verschlossenen Türen natürlich, aber macht ja nichts, hinterher noch schnell ein Video vom Ergebnis gedreht und die Kundschaft feiert. Gewissermaßen gehört das ja zum Konzept: Das Pferd „zieht“ in den paar Minuten der Turnieraufgabe oder auf dem Verkaufsvideo umso besser nach vorne und strampelt herausragender mit den Beinen, je kürzer man es zuvor im Hals gemacht hatte und je elektrischer man eben noch das Hinterbein angepiekt hat. Zwingt man dem Westernpferd mit der Reininghilfe (auch bekannt als Schlaufzügel) systematisch den Kopf herunter, dann bleibt der da auch, wenn man dann für das Video den ach so sanften Halsring auspackt. Und lange wallende Kleider sind sowieso sehr praktisch, da sieht man nämlich die großen Sporen nicht.
Ein Monat Beritt oder ein paar Tage Kurs sind für den Besitzer natürlich auch deutlich billiger als zwei Jahre Grundausbildung. Man will als Kunde letztendlich einfach sorglos drauflos reiten und kein Vermögen ausgeben. Oder wenn, dann muss das Pferd dafür aber mindestens piaffieren. Selbst wenn das geschundene Pferd auf dem Zahnfleisch geht, Hauptsache es geht! Und kann es nach einigen Monaten oder Jahren derartigem Gerittenwerden kaum mehr krabbeln, dann taugt es immernoch für die Zucht. Oder man nimmt einem netten Freizeitreiter noch ein paar Euro ab für das ach so totbrav funktionierenden Kumpel. Erholt sich das Tier dann bei guter Pflege und nettem Umgang, sodass es überraschenderweise zum aufmucken reicht, wird es nochmal zum einnorden gebracht – ist doch toll, wie es danach wieder so brav funktioniert, oder?

Dagegen beobachte ich aber auch ein anderes Extrem: Die Leute, bei denen es alleine um die Methode ihres Trainings geht: Ausschließlich die positive Verstärkung mittels Clicker und (Futter)lob darf genutzt werden. Druck ist schrecklich böse, alles muss (ich betone, es muss!) auf Freiwilligkeit beruhen. Das Tier darf weder gelockt noch geschoben werden – am besten man fasst es überhaupt gar nicht erst an, sondern arbeitet mittels free shaping. Das Ergebnis rückt manchmal völlig in den Hintergrund, Hauptsache man arbeitet methodisch sauber positiv und nutzt nicht etwa Teufelszeug wie Zug am Stallhalfter oder Schenkeldruck. Da gibt es massig Techniken zu lernen mit komplizierten englischen Begriffen, nach denen man schier süchtig werden kann. Das positive Training macht den Trainer oder Besitzer offenbar so froh, dass dieser nur um des Trainieren willens trainiert. Das Tier kann eine Pylone dann auf zwölf verschiedene Arten umkippen, und das hat ja noch keinem geschadet, oder. Ethisch und moralisch ist so ein „guter“ Trainer allen anderen Arbeitsweisen haushoch überlegen, denn die anderen sind tiefschwarze Pferdeunterdrücker und Folterknechte aus dem letzten Jahrtausend. Man kann sich dafür feiern lassen, dass man einen Film draus macht, wie man versucht, das 15 jährige Pferd total freiwillig über einen Grasweg zu führen und eben nicht (!) am Strick den Kopf vom Grasen abhält, sondern das freiwillige Heben desselben mit höherwertiger Futterbelohnung bestärkt. Dass man nirgendwo jemals ankommt ist völlig egal, denn ein echter Positivtrainer reitet konsequenterweise sowieso nicht und nötigt das Pferd auch sonst zu nichts, wäre doch alles unnatürlicher Zwang. Natürlich kann und muss man trotzdem zig Kurse belegen, denn erstens haben wir doch die moralische Verpflichtung zur Weiterbildung, zweitens ist das geilste an so einem Kurs, sich gegen die Negativen abzugrenzen. Im Endeffekt zahlt man die Kursgebühren gerne, einfach für das gute Gefühl, mit seinem Pferd GUT umzugehen. Wenn dabei kein Ergebnis herauskommt, ist das umso besser, denn so kann man sich und allen anderen noch einmal extra beweisen, was für ein guter Mensch man ist, dass man eben nicht den eigenen Ehrgeiz auf dem Pferd abläd, sondern es halt dann auch konsequent nicht aufhalftert, wenn es an dem Tag nicht freiwillig mitmacht.

Und wo bleibt die Mitte? Wo sind die Leute, denen die Methoden nicht egal sind, aber die eben doch auf ein bestimmtes Ergebnis hin trainieren? Ich persönlich habe für jegliches Training grundsätzlich auch ein Leben lang Zeit, bin gut ausgebildet, was Verstärkung von Verhaltensweisen und Training angeht. Darin will ich auch ständig immer besser werden, und gebe dafür gerne und viel Geld aus. Dass es nicht um „einfach zackig reiten und das Pferd hat zu funktionieren“ geht, ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich sehe meine Beziehung zu meinen Tieren partnerschaftlich, lehne Kinderarbeit ab, trainiere sehr viel vom Boden aus, bremse beruflich den Ehrgeiz von „Viel- und Frühreitern“. Aber, jetzt kommt’s. Ich reite tatsächlich total gerne, auch in flotten Gangarten und anstrengenden Lektionen und selbstverständlich immer dort hin, wo ich hin will. Ich überlege sehr genau, was ich einem Pferd reiterlich zumuten möchte und wie es sich fühlt, habe aber moralisch überhaupt kein Problem damit, dabei dann eine Gerte in der Hand zu halten. Ich mache keinen Aufriss um den alltäglichen Umgang wie das Anziehen eines Halfters oder das Mitkommen von der Weide, dafür aber um die Wahl des Sattels beispielsweise. Ich trete zwar meinen Tieren nicht wortwörtlich in den Allerwertesten, aber dafür sprichwörtlich mir selber und meinen Reitschülern. Wir kriegen an manchen Stellen der Ausbildung definitiv ziemlich sportlich den Hintern hoch und arbeiten ganz ohne Kekse an uns selbst. Das Ergebnis darf dauern, auch monate- und jahrelang, und es darf für und mit jedem Pferd individuell angepasst werden, aber ich strebe eben doch danach, dass ich mein Pferd sicher und zuverlässig reiten kann und trainiere einen Freizeitpartner für jede Lebenslange, der im Endeffekt eben auch im Gelände, auch in der Öffentlichkeit, auch unter anderen Reitern (!) ganz unspektakulär macht, was ich möchte. Wenn ich das wiederum korrekt ausbilde und geschickt trainiere, dann macht das Pferd das zwar ohne Goldmedaillie und nicht in Rekordzeit, aber mit Freude und als selbstbewusster Mitarbeiter. Und das klappt dann eben nicht nur in schöner Theorie, sondern auch ganz praktisch mit vielen verschiedenen Pferden im echten Leben.

Katharina Möller
www.klassische-reiterei.com
www.longieren-als-dialog.de

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