Freitag, 30. November 2012

Gut sitzen, schön sitzen, effizient sitzen…perfekt sitzen!


Reiten ist Körpersprache und die Kunst dabei ist, in der Bewegung zu sitzen. Meine persönliche „Sitzgeschichte“ ist eine bislang zwanzigjährige (Selbst)erfahrung und umfasst mehrere Kapitel.

 I. Einfach gut sitzen
Als Kind hatte ich das große Glück, sehr guten Unterricht zu bekommen: Auf in bestem Sinne vielseitigen Freizeitponies lernte ich komplett zügelunabhängig zu sitzen. Lange bevor wir Kinder technisch betrachtet „richtig reiten“ konnten, saßen wir ganz einfach ganz natürlich im Pferd. In allen Gangarten und Lebenslagen, mit und ohne Sattel oder Zaumzeug übten wir uns in sinnvollen Reiterspielen. Dabei handelte es sich nie um draufgängerisch wilde Hatz, sondern um ein liebevolles Unterrichtskonzept, dem ich Balance und angstfreies Reiten verdanke.


II. Lehrbuchgerecht schön sitzen
Parallel dazu erwarb ich dann als Jugendliche sämtliche FN-Reitabzeichen und lernte dabei schnell, lehrbuchgerecht „schön“ zu sitzen. Aufgrund oben erwähnter Vorkenntnisse fiel mir das immer leicht und es hagelte Traumnoten für den guten Sitz. Allerdings gab es mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad der Prüfungen zunehmend weniger gute Noten für das sogenannte „Gerittensein des Pferdes“: Das bedeutet, ich saß zwar immer nett obendrauf (was den Pferden selbst sicher ganz gut gefiel), aber die Pferde bewegten sich dabei im reitsportlichen Sinne nicht sonderlich gut. Ich erinnere mich an zwei Situationen etwa im Alter von 15 oder 16 Jahren, in denen zwei Trainer unabhängig voneinander zu mir sagten, ich müsse lernen, effizienter zu sitzen. Anstatt in Schönheit zu sterben sollte ich „mehr zum Reiten“ kommen. Wie genau das gemeint war, war mir lange nicht klar - ich wusste nur, dass ich zwar gut reiten lernen wollte, aber dabei keinen Kraftsport betreiben: Die sprichwörtlichen „starken“ Reiter, die die Pferde schraubstockartig zwischen ihren Beinen einspannten und mit straffer Hand führten, wollte ich schon damals nicht zum Vorbild nehmen.


III. Endlich effizient sitzen
Inzwischen (nur gute zehn Jahre später…) habe ich für mich gefunden, was diese Effizienz ausmacht. Ich weiß noch genau, wie ich zum ersten Mal beim Betrachten eines meiner Trainingsvideos dachte: Wow, kann ich plötzlich gut galoppieren, was ist denn da mit meinem Sitz passiert? Das Pferd versammelt und der Reiter dabei passiv, da muss endlich irgendwas richtig laufen!

Was war passiert? Vor dem besagten plötzlichen kurzen „Es hat Klick gemacht“-Erlebnis hatte ich mittlerweile Jahre damit verbracht, reiten zu lernen. Ich feilte an meiner Technik und meinem Gefühl: Wie genau muss man wann genau unter Zuhilfenahme welcher Muskeln treiben, nachgeben und so weiter, damit das Pferd wie gewünscht reagiert? Was das Pferd gemäß der klassischen Reitlehre „machen“ sollte, war mir dank ausführlicher theoretischer Kenntnisse schon lange klar. Ich musste vereinfacht gesagt aber in Kleinstarbeit lernen, wie man das nun praktisch dem (Jung)pferd erklärt: Kommunikation statt Knöpfedrücken! Je mehr ich herausfand, wie ich sitzen musste, damit das Pferd sich gut bewegen kann, desto besser konnte ich das auch unterrichten - nach dem Motto: Dreh deinen Arm genau so oder treibe genau in diesem Rhythmus und spüre, was passiert. Wird das Pferd leichter, bewegt es sich freier, schwingt es besser, reagiert es williger? Dann sitze weiter so! Variiere die Spannung, Atmung, Richtung und spüre wiederum, was passiert.
Wenn eine Hilfe „richtig“ ist, ist sie nämlich automatisch effizient - richtig Sitzen heißt, mit wenig Aufwand viel bewirken. Präzise Einwirkung anstatt Dauerdruck!

 
IV. Perfekt sitzen

Nächstes Ziel: Perfektion.
Nun ist es derzeit so, dass ich in vielen Momenten richtig sitze und einwirke. Das merkt man daran, dass sich Lektionen „wie von selbst“ ergeben und für Pferd und Reiter logisch sind. Ich denke=sitze in Richtung Ziellektion, das Pferd reagiert, ich begleite es passiv. Reiten ist ein Genuss, die Lektion gelingt, die Harmonie stimmt….bis wir dann eben doch wieder unser gemeinsames Gleichgewicht verlieren! Der Oberkörper kurz hinter der Bewegung, die Hand kurz einmal hängengeblieben - und schon ist das Pferd irritiert und von meinem Sitz gestört. Ich korrigiere den Fehler und das Spiel beginnt von vorne.

Wie gut wäre es denn, wenn diese kurzen Sitzfehler nicht passieren würden! Wenn die Lektionen störungsfrei ineinander überfließen könnten, wenn ich perfekt in der Bewegung sitzen könnte… Wenn ich beweglicher werden könnte und meine Hilfen immer noch präziser würden, sodass ich immer noch schneller zum Nachgeben käme?
Ich arbeite dran.

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