Reiten ist Körpersprache und die Kunst dabei ist, in der
Bewegung zu sitzen. Meine persönliche „Sitzgeschichte“ ist eine bislang zwanzigjährige
(Selbst)erfahrung und umfasst mehrere Kapitel.
II. Lehrbuchgerecht schön
sitzen
Parallel dazu erwarb ich dann als Jugendliche sämtliche FN-Reitabzeichen
und lernte dabei schnell, lehrbuchgerecht „schön“ zu sitzen. Aufgrund oben
erwähnter Vorkenntnisse fiel mir das immer leicht und es hagelte Traumnoten für
den guten Sitz. Allerdings gab es mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad der
Prüfungen zunehmend weniger gute Noten für das sogenannte „Gerittensein des
Pferdes“: Das bedeutet, ich saß zwar immer nett obendrauf (was den Pferden
selbst sicher ganz gut gefiel), aber die Pferde bewegten sich dabei im
reitsportlichen Sinne nicht sonderlich gut. Ich erinnere mich an zwei
Situationen etwa im Alter von 15 oder 16 Jahren, in denen zwei Trainer
unabhängig voneinander zu mir sagten, ich müsse lernen, effizienter zu sitzen.
Anstatt in Schönheit zu sterben sollte ich „mehr zum Reiten“ kommen. Wie genau
das gemeint war, war mir lange nicht klar - ich wusste nur, dass ich zwar gut
reiten lernen wollte, aber dabei keinen Kraftsport betreiben: Die
sprichwörtlichen „starken“ Reiter, die die Pferde schraubstockartig zwischen
ihren Beinen einspannten und mit straffer Hand führten, wollte ich schon damals
nicht zum Vorbild nehmen.
III. Endlich effizient
sitzen
Inzwischen (nur gute zehn Jahre später…) habe ich für mich
gefunden, was diese Effizienz ausmacht. Ich weiß noch genau, wie ich zum ersten
Mal beim Betrachten eines meiner Trainingsvideos dachte: Wow, kann ich plötzlich gut galoppieren, was ist denn da mit meinem
Sitz passiert? Das Pferd versammelt und der Reiter dabei passiv, da muss
endlich irgendwas richtig laufen!
Was war passiert? Vor dem besagten plötzlichen kurzen „Es
hat Klick gemacht“-Erlebnis hatte ich mittlerweile Jahre damit verbracht,
reiten zu lernen. Ich feilte an meiner Technik und meinem Gefühl: Wie genau
muss man wann genau unter Zuhilfenahme welcher Muskeln treiben, nachgeben und
so weiter, damit das Pferd wie gewünscht reagiert? Was das Pferd gemäß der
klassischen Reitlehre „machen“ sollte, war mir dank ausführlicher theoretischer
Kenntnisse schon lange klar. Ich musste vereinfacht gesagt aber in
Kleinstarbeit lernen, wie man das nun praktisch dem (Jung)pferd erklärt:
Kommunikation statt Knöpfedrücken! Je mehr ich herausfand, wie ich sitzen
musste, damit das Pferd sich gut bewegen kann, desto besser konnte ich das auch
unterrichten - nach dem Motto: Dreh
deinen Arm genau so oder treibe genau in diesem Rhythmus und spüre, was
passiert. Wird das Pferd leichter, bewegt es sich freier, schwingt es besser,
reagiert es williger? Dann sitze weiter so! Variiere die Spannung, Atmung,
Richtung und spüre wiederum, was passiert.
Wenn eine Hilfe „richtig“ ist, ist sie nämlich automatisch
effizient - richtig Sitzen heißt, mit wenig Aufwand viel bewirken. Präzise
Einwirkung anstatt Dauerdruck!
IV. Perfekt sitzen
Nächstes Ziel: Perfektion.
Nun ist es derzeit so, dass ich in vielen Momenten richtig
sitze und einwirke. Das merkt man daran, dass sich Lektionen „wie von selbst“
ergeben und für Pferd und Reiter logisch sind. Ich denke=sitze in Richtung
Ziellektion, das Pferd reagiert, ich begleite es passiv. Reiten ist ein Genuss,
die Lektion gelingt, die Harmonie stimmt….bis wir dann eben doch wieder unser gemeinsames Gleichgewicht
verlieren! Der Oberkörper kurz hinter der Bewegung, die Hand kurz einmal
hängengeblieben - und schon ist das Pferd irritiert und von meinem Sitz
gestört. Ich korrigiere den Fehler und das Spiel beginnt von vorne.
Wie gut wäre es denn, wenn diese kurzen Sitzfehler nicht
passieren würden! Wenn die Lektionen störungsfrei ineinander überfließen
könnten, wenn ich perfekt in der Bewegung sitzen könnte… Wenn ich beweglicher werden könnte und meine Hilfen immer
noch präziser würden, sodass ich immer noch schneller zum Nachgeben käme?
Ich arbeite dran.
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