Donnerstag, 27. September 2012

Von guten und schlechten Pferden - und warum ich das Wort "Leistungsgrenze" nicht leiden kann


Was mir immer wieder sauer aufstößt, ist die Unterteilung des Pferde“materials“ in gute und weniger gute Pferde. Selbst  durchaus sympatische Pferdemenschen, die die Persönlichkeit jedes Tieres respektieren, bewerten Vierbeiner  gandenlos gemäß ihrer Veranlagung für den Reitsport. Das ganze drückt sich schlicht und einfach ein Zahlen aus: Ein „guter“ Dreijähriger mag 50 000 Euro kosten, ein „Durchschnittlicher“  je nach Größe/Farbe/Abstammung irgendwas unterhalb oder in Richtung 10 000. Was ein „RICHTIG gutes“ junges Sportpferd wert ist, will ich mir eigentlich überhaupt nicht vorstellen - wahrscheinlich kann man da noch ne Null dranhängen.
Dass jemand prinzipiell lieber einen „Guten“ als einen „Schlechten“ reiten möchte (und je nach Vermögen eben auch die entsprechende Summe investiert) ist an sich  ja schon irgendwo nachvollziehbar.
Meine persönliche Preisklasse - das gleich vorweg - liegt für ein rohes Pferd dagegen definitiv  im vierstelligen Bereich, und zwar im Unteren! Auch ein Großteil meines Umfelds hegt, pflegt und reitet irgendwelcher solcher eher „preiswerten“ Freizeitpferde.  Sicherlich lieben wir alle unsere Pferde genauso sehr wie die Besitzer der „besseren“ Exemplare, und im Unterhalt kosten erstklassige Haltung, Versorgung und Ausbildung ja sowieso für alle genau dasselbe.

Was uns unterscheidet, ist die vielfach gefürchtete „Leistungsgrenze“ unseres Vierbeiners - für mich ein absolutes Unwort! Sicherlich werden  in der Welt des Turniersports Anforderungen an die Pferde gestellt, die nicht jedes Individuum bis in die höchsten Klassen leisten kann. Insofern mag es Pferde geben, die in der Welt des Turniersports halt nur bis zur Klasse L taugen - während andere „fürs große Viereck geboren“ zu sein scheinen. Sieht man diese Welt dann auch noch mit Augen eines Züchters, dann will man selbstverständlich Pferde züchten, die den modernen sportlichen Anforderungen optimal entsprechen. Die nicht ganz optimalen sind dann halt schon die „Schlechteren“. Wie gesagt, als Züchter macht diese Betrachtungsweise auch Sinn, damit man optimal verpaart und die Pferdezucht voranbringt. Wie sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat,  gibt es dankenswerterweise ja kaum noch wirklich unbrauchbare, weil komplett verbaute Pferde. Im Prinzip sind alle (an sich gesunden!) Zuchtprodukte auch reitbar - und genau darauf will ich hinaus.
Neben dieser sportorientierten Welt gibt es nämlich - glücklicherweise, meiner Meinung nach! - noch die normale Welt. In der muss man sich rein überhaupt gar nicht mit anderen messen, vergleichen und in Klassen einteilen lassen, so man nicht möchte.  Was zählt, ist gutes Reiten. Und das geht eben wirklich mit nahezu jedem Pferd. Was in der Leistungssportweltanschauung ein „schlechtes“ Pferd ist, hat immer noch vier Füße! Natürlich hat es nicht ganz DIE Gangveranlagung und vielleicht verlängern manche Exterieur“mängel“ die Ausbildung - aber  das war‘s auch schon.
Eine „Leistungsgrenze“ gibt es nur aus wettkampforientierter Sicht. Für den Hausgebrauch kann man - so man kann! - wirklich ALLES ausbilden.

Bleiben wir beim Beispiel meiner eigenen Pferde: Bei zwei von dreien habe ich mir (mehrfach!) sagen lassen, es seien „schlechte Pferde“ (wörtlich! Unglaublich, nichtwahr?!) und musste mich fragen lassen, was ich als Berufsreiter denn mit „solchen“ Pferden wolle (letzteres ist zugegebenermaßen schon ein paar Jahre her).
(Wer mich kennt, fragst sich jetzt vielleicht, welches meiner drei Pferde nun noch nicht als „schlecht“ bezeichnet wurde und ich will’s verraten: Das, was ich als letztes bekommen habe. Nicht weil der jetzt „besser“ wäre als der Rest.  Ich glaube nur, mittlerweile traut sich keiner mehr, mir so etwas ins Gesicht zu sagen.)
Als junge Reiterin hat mich dieses Klassendenken wirklich angekratzt. Und es gab eine Zeit, zu der ich mir (so ich es mir hätte finanziell leisten können), sicherlich ein „besseres“ Pferd gekauft hätte.  Denn dummerweise kenne ich den Unterschied aus eigener Erfahrung. Ich habe in meiner Ausbildung schon diverse richtig gute junge (Eliteauktions-)Pferde geritten. ..Ich weiß also, welche Dynamik, welche Gangveranlagung und damit welches Reitgefühl man für Geld bekommen kann.
Je weniger ein Pferd ausgebildet ist, desto größer ist der Unterschied: Ein „gutes“ (=ausbalanciertes, schwungbegabtes) Pferd macht schon direkt nach dem Anreiten optisch richtig was her. Ein „schlechteres“ läuft ohne Ausbildung halt eher wie eine „Badewanne“, kann nicht automatisch „durchs Genick gehen“ und eventuell auch nicht zivilisert im Kreis galoppieren. Aber dafür ist dann ja die Ausbildung da!  Reiten lernen muss man so oder so - kaufen kann man Optik, nicht Können!

Es ist nicht fair und bringt niemanden weiter, auf (s)ein Pferd herabzuschauen, ständig nur dessen mangelnde „Perfektheit“ zu sehen, zu entschuldigen und sprichwörtlich darauf herumzureiten.
 Eine Leistungsgrenze gibt es NUR im Wettkampfreitsport. Im Hausgebrauch sind meine Pferde genausoweit ausbildbar, und genau daran arbeite ich. Mein „Durchschnittsfreizeitpferd“ geht mittlerweile Hohe Schule.  Sicherlich nicht so, dass man damit einen Blumentopf gewinnen könnte - in einer S Dressur wären wir  geradezu lachhaft chancenlos. SEINE Piaffe ist eben nicht die eines Sportpferdes, und SEINE Trabverstärkung bleibt um Welten hinter der des Sportpferdes zurück. Dennoch geht er im Prinzip dasselbe Programm! Das Ziel der Reitkunst ist es, die individuellen Bewegungen des jeweiligen Pferdes zu vervollkommnen. Und nicht, sie an irgend einem anderen zu messen.
Sicherlich sehe ich die Schwierigkeiten meiner Pferde gegenüber dem ideal proportionierten Reitpferd. Ich bin weder blind verliebt noch lebe ich in einer rosaroten Ponyhofwelt.  Im Gegenteil: Die Klassische Reitlehre gibt Hilfestellung und Anweisung, wie gewisse Pferdetypen bauartbedingt ausgebildet werden sollten. Gerade die „Spezialrassen“ wie die Meinen stellen den Ausbilder ja durchaus vor Herausforderungen.  Aber was oder wem sollte es denn nutzen, wenn ich mich nun daran aufhängen würde, dass hier der Rücken etwas weich ist und dort die Hinterhand nicht optimal gewinkelt, und beim dritten die Schulter zu steil ist?

Bleibt letztlich doch nur die Frage: „zu weich/zu steil … für WAS?“
Und in dem Moment ist nur eines gefragt: Demut. Bevor die sogenannte Leistungsgrenze eines meiner Pferde erreicht ist, ist es meine eigene reiterliche Leistungsgrenze doch schon lange!

Will sagen: Für alles, was ich im Leben je reiten können werde, sind meine Pferde mit Leichtigkeit „gut genug“!

1 Kommentar:

  1. Hallo Katharina,

    ich kann Deinen Artikel nur vollstens unsterschreiben. Mein erstes eigenes Pferd war roh, ein Mix und hat 2000 Euro gekostet. Hätte ich diese Stute nicht gekauft, wäre ich nie zu meiner Arbeit mit den Pferden gekommen. Nun habe ich noch einen 17 jähriges ausrangiertes Springpferd bekommen, was alles andere als durchlässig war, aber nun so aufblüht und soviel Spass macht, so ein toller Kumpel ist, dass ich ohne Probleme sagen kann, dass er für mich, eines der besten Pferde ist, welche ich je kennenlernen durfte. Alleine der Charakter ist soo wichtig für mich. Und wenn man sich richtig Mühe gibt, kann man fast jedes Pferd auf ein vernünftiges Niveau bringen...aber mal im Ernst...haben wir Menschen alle studiert und sind Juristen oder Ärzte? Sind die anderen Menschen deswegen schlechter oder weniger leistungsbereit?? Kann man meiner Meinung nach, 1 zu 1 übertragen .

    Grüße und bis bald Anna Pawlowski

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