Mir kommt es vor, als sähen manche Ausbilder im „Treiben“ ein Allheilmittel: Bei mannigfaltigen Problemen bleibt der einzige Ratschlag, der Reiter müsse eben mehr treiben. Im Bestreben, ihr Pferd nur ja nicht fälschlicherweise von vorne nach hinten zu reiten, treibt sich so mancher Reiter wortwörtlich den Wolf – mit oft ausbleibendem Ergebnis.
Wann nutzt also das „Treiben“? Und wann nutzt es nicht? Was bewirkt das Treiben mit den Unterschenkeln? Und welche Art von „Treiben“ gibt es noch?
Je mehr ich meine Waden einsetze, desto „mehr“ macht das Pferd – und zwar ein „mehr“ von dem, was es eh gerade macht!
Angenommen, mein Pferd trabt gerade losgelassen über den Rücken und ich treibe, dann wird es „mehr“ traben: schwungvoller, ausdrucksvoller, raumgreifender.
Angenommen, das Pferd hält sich aber gerade fest und eilt mit stumpfen, harten Tritten vor sich hin und ich treibe, dann wird das Pferd eben NOCH eiliger bergab in den Boden stampfen. Falls das Pferd vorher aber mehr schlecht als recht irgendwie seitwärts schleuderte, der Reiter die vermeintliche Biegung durch einen rückwärtswirkenden inneren Zügel erreicht hat und nur mittels Quetschen und Pressen die Abstellung halten kann, dann führt ein „Mehr“ an Energie nur dazu, dass das Pferd NOCH MEHR auf der Hand und der Reiter noch schiefer auf dem Pferd hängt als zuvor.
Als Lösungsansatz für dieses Problem hat Baucher das Credo aufgestellt: „Position vor Bewegung“. Das steht nur in einem vermeintlichen Widerspruch zum vielzitierten „Reiten von hinten nach vorne“, denn es beschreibt eigentlich nur das einfache, aber wirkungsvolle Trainingsprinzip, dass man einer Lektion immer genau so viel Schwung gibt, wie es das Pferd dank seines momentanen Trainingszustandes gerade noch schafft, Losgelassenheit und die notwendige Haltung zu bewahren.
Um zum Beispiel meiner Traversale zurückzukommen: Wenn ich in ruhigem Tempo das Pferd mit Leichtigkeit in Biegung und Abstellung bewahren kann, es sich taktrein bewegt und ich gut sitzen kann, dann treibe ich vorsichtig bis kurz vor das Gangmaß, wo ich die genannten Kriterien verlieren würde. Über Training und erreiche ich dann sukzessive eine ausdruckstarke, dynamische Bewegung.Das ist die Kunst der Hilfengebung – mit Sicherheit nicht in ein paar Sätzen erklärt und in ein paar Stunden erlernt, aber eben doch logisch: Die Reihenfolge der Hilfengebung muss prinzipiell immer mit der richtigen Gewichtshilfe beginnen, hinzu kommen dann wenn nötig als nächstes die unterstützenden Schenkelhilfen und als drittes bei Bedarf dann noch die Zügelhilfen als „I-Tüpfelchen“.
Als Ratschlag für die Praxis bleibt mir nach diesen prinzipiellen Überlegungen zum Thema treibende Schenkelhilfen noch zu sagen:Erst die eigene Haltung/Sitz überprüfen und nur treiben, wenn es Sinn macht: Weniger ist mehr! Im richtigen Moment treiben WENN die Haltung stimmt und genau so viel, wie das Pferd über den Rücken noch umsetzen kann.
Wenn im Seitengang die Abstellung nicht stimmt, dann den eigenen Körper drehen, nicht mit den Beinen quetschen.Das berühmte „zum Treiben kommen“ setzt dann ein, wenn das Pferd sich loslässt und die Energie über den Rücken kommt. Erst dann wirkt das Treiben positiv.
"Das Geheimnis beim Reiten ist, weniges richtig zu tun." (Nuno Oliveira)
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